300 Jahre Rhöner Orgelbau

Hey ist fester Bestandteil des seit über 300 Jahren erfolgreich schaffenden Rhöner Orgelbaus. Die Tradition gründet sich in der Orgelbaufamilie Biehn, die schon im 17. Jahrhundert ein florierendes Geschäft im Raum Fulda betrieb. Die Wurzeln von Orgelbau Hey sind um 1715 bei der Familie Oestreich zu finden, über die Familien Schneider und Katzenberger ging das Unternehmen schließlich an Wilhelm Hey über.

So trägt unsere Orgelbauwerkstatt seit mehr als 140 Jahren den Namen Hey. Sie hat Notzeiten und Kriege überstanden, expandiert und für und mit Größen aus Geschichte, Musik und Gesellschaft gearbeitet, Instrumente gebaut und gestimmt.

Erfahren Sie in unserer Chronik genauer, wie das Fundament für einen Familienbetrieb gelegt wurde, in dem sich Tradition mit Moderne vereint und erfreuen Sie sich an der Anekdote, die besagt, dass Franz Liszt als einer der größten Künstler des 19. Jahrhunderts unserem Vorfahren Wilhelm einen klangvollen Auftritt zu verdanken hat.  

Wilhem Hey, Otto, Erich, Wolfgang, Herbert, Thomas Hey 

Die Orgelbaufamilie Biehn (17. Jahrhundert)

  • Johann Daniel Biehn (bis 1670)
  • Johannes Biehn (1663 bis 1739)
  • Franz Karl Biehn (um 1744) 

Johann Daniel Biehn aus Blankenau bei Fulda war im 17. Jahrhundert Organist, Schreiner und Orgelmacher. Von ihm sind nur wenige Reparaturen bekannt. Als er 1670 starb, trat sein Sohn Johannes Biehn die Nachfolge an.

Von ihm stammen folgende Orgeln: 1701 Florenberg, 1703 Hosenfeld, 1715 Elm, 1729 Herolz, 1734 Umbau in Burghaun. Seinem Sohn Franz Karl Biehn wird der Bau der Orgel in seinem Heimatort Blankenau von 1744 zugeschrieben.

Die Orgelbauersippe Oestreich (1715 bis 1929)

Die Orgelbauersippe Oestreich, deren Vorfahren aus Kämmerzell bei Fulda kamen, gehört zu den bedeutendsten Orgelbauern der Barock- und Nachbarockzeit. Vierzehn Orgelbauer in fünf Generationen haben das Bild der Fuldaer Orgellandschaft nachdrücklich geprägt.

  • Jost Oestreich (1715 bis 1790)
  • Johann Markus Oestreich (1738 bis 1833)
  • Johann Georg Oestreich (1770 bis 1858)
  • Michael Oestreich (1802 bis 1838)
  • Augustin Oestreich (1807 bis unbekannt)
  • Adam Joseph Oestreich (1799 bis 1843)
  • Emil Oestreich (1832 bis 1857)
  • Maximilian Oestreich (1834 bis unbekannt)
  • Maurus Oestreich (1836 bis 1912)
  • Damian Oestreich (1843 bis unbekannt)
  • Johann Adam Oestreich (1776 bis 1865)
  • Constantin Oestreich (1808 bis 1864)
  • Joseph Oestreich (1817 bis 1870)
  • Wilhelm Oestreich (1848 bis 1929)

Im Folgenden wird nur auf Jost, Johann Markus und Michael Oestreich eingegangen.

Jost Oestreich hat sehr wahrscheinlich bei Johannes Biehn aus Oberbimbach bei Fulda den Orgelbau erlernt. Die ersten Arbeiten von ihm sind 1745 anlässlich einer Orgelreparatur in Großentaft im Kreis Hünfeld dokumentiert.

Johann Markus Oestreich war der bedeutendste Orgelbauer der Sippe. Er baute in Hessen, Thüringen, Franken und Westfalen ein- und zweimanualige Orgeln.

Architektonisch sind seine zweimanualigen Instrumente ungewöhnlich: Sie sind 13-teilig mit 5-teiligem Mittelpositiv, dem sich zu beiden Seiten das geteilte Hauptwerk mit ausgebildeten Harfenfeldern anschließt. Das Pedalwerk ist hinterständig. Möglicherweise sind hier Einflüsse aus der Frankfurter Werkstatt des Philipp Ernst Weegmann spürbar. Johann Markus Oestreich hatte viele Jahre lang die beiden Domorgeln in Fulda in Pflege. Nach ihm teilte sich mit seinen Söhnen Georg und Adam die Sippe in die Oberbimbacher und die Bachrainer Linie.

Michael Oestreich arbeitete zunächst bei seinem Vater Johann Georg. 1828 war er beim Orgelbau seines Vaters in Großkrotzenburg beteiligt. Er ging um 1830 nach Westfalen, wurde Geselle bei Arnold Isvording in Dringenberg und führte nach dessen Tod 1833 die dortige Werkstatt weiter. Mit seinem frühen Tod 1838 erlosch vorerst die westfälische Orgelbautradition. Die letzten Bimbacher Oestreich - Orgelbauer wanderten nach Amerika aus.

Die Oestreich-Tradition im Fuldaer Land ging bereits Ende des 18. Jahrhunderts an den Oestreich-Schüler Johann Schneider und seine Söhne über.

Die Orgelbauer Schneider (1750 bis ca. 1830)

  • Johann Schneider (1750 bis 1825)
  • Andreas Schneider (1790 bis 1859)
  • Nikolaus Schneider (um 1810) 

Johann Schneider aus Allmus bei Fulda war ein Schüler der Orgelbauersippe Oestreich. Er nannte sich auch Johann Sartorius und arbeitete hauptsächlich in der Rhön und deren Umland. 1766 reparierte er zusammen mit Johann Markus Oestreich die Orgel des Schlosses der Fasanerie bei Fulda. 1808 versetzte er eine Orgel aus Bildhausen bei Bad Neustadt/Saale nach Wickers bei Hilders. 1813 erbaute er die Orgel in der Kath. Kirche Unterelsbach.

Von Andreas Schneider, der sich wie sein Vater auch Sartorius nannte, sind zwischen 1826 und 1839 folgende Orgelarbeiten aktenkundig: 1826 Um- bzw. Neubau der Orgel in Hofbieber. 1830 Orgelbau in Steinau bei Fulda. 1831 Umbau der Orgel in Johannesberg. 1832 Orgelbau in Haimbach mit 12 Registern; die alte Orgel stellt Schneider in Büchenberg auf. 1833 Einbau von zwei Registern am Florenberg. 1839 Orgelbau in Steinhaus bei Fulda.

Nikolaus Schneider war vermutlich der 2. Sohn von Orgelbauer Johann Schneider und lebte in Oberelsbach/Rhön. Er war zwischen 1810 und 1850 aktiv. Neben anderen in Zeitzeugnissen überlieferten Orgelbauten erstellte er um 1820 in Ginolfs/Rhön, 1823 in Unterweißenbrunn und um 1840 in Sondernau die Orgeln. Es dürften auch noch einige bisher nicht identifizierte Orgeln in der Rhön aus seiner Werkstatt stammen.

Die Orgelbauer Katzenberger (1813 bis 1874)

  • Michael Katzenberger (1813 bis 1874)
  • Alfred Katzenberger (unbekannt) 

Michael Katzenberger stammt aus Oberelsbach/Rhön und war Geselle und Nachfolger des Orgelbauers Nikolaus Schneider. Er war vom Domkapitel zu Fulda "mit Wartung und Stimmung der Orgeln in einem Theil der Diöcese ständig beauftragt". Aktenkundig sind neben zahlreichen Reparaturen die Orgelneubauten in der Kath.

Kirche Braidbach (1853) und Batten (1865). Sein Sohn Alfred Katzenberger war behindert und konnte nur kleinere Arbeiten ausführen. Von ihm ist nur eine Orgelstimmung 1876 in Wickers bekannt.

Wilhelm Hey

Wilhelm Hey war zunächst Schreiner in der väterlichen Werkstatt und wechselte auf Anregung von Michael Katzenberger in den Orgelbau. Das Handwerk lernte er bei Randebrock im westfälischen Paderborn, wo er es bis zum Werksmeister brachte. Im Jahre 1870 fuhr er im Namen seines Lehrmeisters in die USA, um in Detroit ein großes Orgelwerk aufzustellen. In Deutschland arbeitete Wilhelm Hey zu dieser Zeit an Orgeln in Warburg, Werl, St. Walburga und in Corvey. Der Sondheimer Chronist H. Kaiser berichtet über eine Erzählung von Wilhelm Hey:

'Im westfälischen Paderborn habe er die edle Orgelbaukunst gelernt und dabei an der Orgel der schönen katholischen Kirche in Corvey an der Weser mitzuarbeiten gehabt. Im Schlosse zu Corvey wohnte aber damals der alte Hoffmann von Fallersleben, und oft hat der Lehrling den würdigen Mann im weißen Kinnbart mit dem großem Mantel über den Hof des Schlosses schreiten sehen. Einmal aber sei er auch in des Dichters Wohnung gerufen worden, um dort das Klavier zu stimmen - für einen sehr berühmten Gast, wie ihm gesagt wurde. Dieser war kein geringerer als der größte Klavierspieler aller Zeiten, Franz Liszt aus Weimar. Ich fragte, ob er denn den großen Künstler auch habe auf dem Klavier spielen hören. Nein, das nicht - aber ein Glas Wein wurde mir hereingebracht zu meiner Arbeit, und das habe ich auf das Wohl jener beiden berühmten Männer mit Freuden ausgeleert.'


Als 1874 Michael Katzenberger verstarb, kehrte Wilhelm Hey, ausgestattet mit qualifizierten Kenntnissen und gründlicher Erfahrung, in die Heimat zurück und übernahm im Alter von 34 Jahren dessen Kundenkreis und Werkstatt. In diesem Datum gründet sich das Hey Firmen-Jubiläum.

Wilhelm Hey gewann schnell das Vertrauen der Kundschaft am Dreiländereck zu Thüringen, Hessen und Bayern. Die Orgelneubauten errichtete er mit klassizistischen Rechteck- oder Rundbogenprospekten. Seine Werke zeugen noch heute von hohem handwerklichen und künstlerischen Können. 

Die Söhne Otto und August Hey

Otto Hey war ein feinsinniger, musikalischer Mann. Er erlernte das Handwerk bei seinem Vater und übernahm die Werkstatt in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. Neubauaufträge waren damals in der armen Rhön nicht zu bekommen. Er führte vorwiegend Umbau-, Reparatur- und Stimmarbeiten durch Wilhelm Heys zweiter Sohn August arbeitete zunächst bei seinem Vater als Orgelbauer und trat später eine Lehre bei einer Textilfirma in Leipzig an.

Erich Hey

Erich Hey erlernte das Orgelbauhandwerk bei seinem Großvater Wilhelm Hey und beendete nach dessen Tod die Lehre bei seinem Vater Otto Hey. Der Heranwachsende entwickelte schon in jungen Jahren großes Talent. Außerhalb der Schulzeit arbeitete er in der Werkstatt seines Großvaters Wilhelm mit. Seine Kenntnisse im Orgelbauhandwerk erweiterte er in den Jahren 1925/26 bei Steinmeyer in Oettingen und 1926/27 bei Paul Faust in Schwelm/Westfalen. Seit Mitte 1927 war er wieder im väterlichen Betrieb tätig. 1936 legte Erich Hey seine Meisterprüfung in Weimar ab und übernahm die Orgelbauwerkstatt, die er später in die heutige Hauptstraße in Sondheim/Rhön verlegte.

Erich Hey galt als musikalisch sehr begabt: Meisterhaft spielte er sieben Instrumente, war zudem Kantor und Chorleiter in Sondheim/Rhön und gab in den Abendstunden Musikunterricht.

Wolfgang und Gotthard Hey

Wolfgang Hey erlernte das Orgelbauhandwerk bei seinem Vater Erich Hey und erweiterte seine Kenntnisse unter anderem auch bei Steinmeyer in Oettingen, wo schon sein Vater gelernt hatte. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters im Jahr 1962 übernahm er den Orgelbaubetrieb in einer einmalig schwierigen Zeit.
Zusammen mit seinem Bruder Gotthard Hey verlegte er die Werkstätte 1963 von Sondheim/Rhön in das benachbarte Urspringen/Rhön. Gotthard Hey erlernte das Orgelbauhandwerk bei seinem Vater und bei Kreienbrink in Osnabrück.

Mit wachsendem Auftrags- und Personalvolumen baute Wolfgang Hey 1972 eine vollkommen neue Werkstatt. Die auf neuestem Stand eingerichteten Werks-, Ausstellungs-, Lager-, Restaurations-, Konstruktions- und Büroräume umfassen eine Größe von 2.100 Quadratmetern. Es können hier Orgelwerke in nahezu jeglicher Größenordnung gebaut oder fachgerecht restauriert werden.

Wolfgang Hey erwarb sich das Vertrauen zahlreicher Orgelexperten sowie Kirchengemeinden und konnte sein Arbeitsgebiet erheblich ausdehnen.

Herbert und Erhard Hey

Herbert Hey wurde 1954 in Urspringen/Rhön geboren und wuchs in einer traditionsreichen Orgelbauerfamilie auf. Der stetige Umgang mit dem Orgelbauhandwerk in der väterlichen Werkstatt prägte und inspirierte ihn bereits in jungen Jahren. Seine musikalische Ausbildung begann am Klavier und später an der Orgel. Das Orgelbauhandwerk erlernte er, bei einer deutschen Orgelbauwerkstatt. Studienreisen führten ihn nach Holland, Spanien, Frankreich, England und in die USA. Seine Fachkenntnisse im Pfeifen- und Zungenbau ergänzte er in Freiberg am Neckar. Lange Zeit war er ehrenamtlich im Prüfungsausschuss der HWK Nürnberg tätig. 1976 legte er als jüngster deutscher Orgelbaumeister seine Prüfung mit Erfolg ab. Neben den zahlreichen Orgelneu- und Orgelumbauten galt und gilt das besondere Interesse der stilgerechten Restaurierung historischer Orgelwerke.

1996 übernahm Herbert Hey den väterlichen Orgelbaubetrieb. Unterstützt von seinem Bruder Erhard, der 1984 seine Meisterprüfung im Orgel- und Harmoniumbauerhandwerk abgelegt und in der Zeit zwischen 1993 und 1995 den Betrieb gemeinsam mit seinem Bruder geführt hatte, fertigte und konstruierte er die neuen Orgelwerke streng nach klassischen Prinzipien. Dabei wurden niemals die Errungenschaften des zeitgenössischen Orgelbaus außer Acht gelassen. 1998 wurde ihm, gemäß der Fortbildungsprüfungsordnung, der Titel „Restaurator im Orgel- und Harmoniumbauerhandwerk“ von der HWK Stuttgart zugesprochen. Erhard Hey, der als Intonateur bei Orgelbau Hey gearbeitet hat, verstarb 2007 nach kurzer schwerer Krankheit.

Neben seinen beiden Söhnen Thomas (geb. 1976) und Christian (geb. 1980) arbeiten 13 erfahrene Mitarbeiter in der gut ausgestatteten Werkstatt Hey in Urspringen.

Thomas Hey und Christian

Die Familie Hey ist mittlerweile in der sechsten Generation tätig. Damit zählt die Hey-Werkstatt zu den ältesten Orgelbauwerkstätten Deutschlands. Heute wird sie von Herbert Hey geführt, dessen Sohn Thomas unterstützt ihn bereits in der Geschäftsleitung.

Thomas (*1976) hat im Juli 2000 seine Ausbildung zum Orgel- und Harmoniumbauer bei Orgelbau Rensch in Lauffen am Neckar mit hervorragendem Erfolg abgeschlossen. An der Berufsfachschule in Ludwigsburg absolvierte er seine Ausbildung zum Betriebsassistent (Management im Handwerk) mit Belobigung. Thomas ist vor allem für die jüngsten Projekte im Ausland zuständig und sorgt dafür, dass Hey Orgelbau längst nicht mehr nur in der Rhön ein Name ist, den man mit hoher Instrumentenbaukunst verbindet. Vor allem im asiatischen Raum erschließt sich derzeit ein bedeutendes Absatzgebiet der Familie Hey.

Christian Hey (*1980) schloss im Januar 2000 seine Ausbildung zum Orgel- und Harmoniumbauer ab und war bis 2022 im Unternehmen tätig.